Die Credit Suisse kündigte an, 20 Bankfilialen schliessen zu wollen – das sind 20 %, wie ein paar findige Journalisten schnell ausgerechnet haben. Das ist eine schon länger eingeschlagene Strategie, denn 2014 hatte die CS noch 214 Filialen. Mit dem neu angekündigten Abbau wird die CS ihr Filialnetz seit 2014 um über 50 % reduziert haben.

Kein Wunder also, dass der Wirtschaftsjournalist Reto Lipp auf Twitter fragt:

Vor rund zwei Jahren habe ich diese Frage an der Stelle bereits gestellt. Heute stelle ich eine Gegenfrage: „Was ist eigentlich eine Filiale?“ Denn eine Bankfiliale zeichnet sich durch unterschiedliche Funktionen aus.

Bargeldschalter

Wenn man von Bankfilialen spricht, hat man oft noch das Bild von Schaltern vor Augen, an denen Kunden Bargeld beziehen oder einzahlen.

Darüber, ob es künftig noch Bargeld geben wird oder nicht, lässt sich trefflich streiten. Auf der einen Seite ist durch den Abbau von Bankfilialen mit Bargeldverkehr klar zu erkennen, dass das Kundenbedürfnis nach Bargeld sinkt. Auch die Bankiervereinigung hat sich dazu ausführlich Gedanken gemacht und kommt zum Schluss, dass Bargeld noch lange nicht abgeschafft wird. Sie begründet das hauptsächlich mit dem Bedürfnis nach persönlicher Freiheit. In einem kurzen Abschnitt tönt sie auch an, dass nur Bargeld echtes Nationalbankgeld – und damit das einzig staatlich gesicherte Geld ist. Denjenigen, die das nun nicht verstehen (mich würde interessieren, wie viele Banker das betrifft), empfehle ich folgendes Video:

Die Benutzung von Bargeld zum Bezahlen der täglichen Ausgaben wird sicherlich weiter rückläufig sein, denn die elektronischen Möglichkeiten sind einfach viel angenehmer. Dementsprechend wird es auch immer weniger Bankfilialen mit Bargeldschaltern geben.

Wer Bargeld braucht, wird dieses an Bancomaten beziehen können. Oder im Geschäft seiner Wahl, denn mit Lösungen wie Sonect werden auch Bancomaten langsam aber sicher zu Auslaufmodellen.

Jenen Firmen, die ihre Bargeldeinnahmen einzahlen möchten, werden neue, automatisierte Lösungen zur Verfügung gestellt, wie z.B. die von NatWest.

Arbeitsplätze

Filialen sind jedoch mehr, als reine Bargeldbezugsstellen. Viele Bankmitarbeitende haben in den Filialen ihre Arbeitsplätze – werden Filialen geschlossen, müssen sie vermutlich an den zentralen Hauptsitz wechseln.

Auch wenn eine solche Zentralisierung aus betriebswirtschaftlicher Sicht vielleicht noch sinnvoll ist – für die Mitarbeitenden kann das einen einschneidenden Einfluss auf die Work-Life-Balance haben. Auch aus ökologischer Sicht ist eine Zentralisierung aufgrund der zusätzlichen Reisewege an den Arbeitsplatz alles andere als nachhaltig – völlig unabhängig davon, ob für den Arbeitsweg das Auto oder der öffentliche Verkehr benutzt wird. Denn auch die öffentlichen Verkehrsmittel kommen in vielen grösseren Städten bereits heute an ihre Grenzen.

Dezentrale Arbeitsplätze sind also im Interesse der Mitarbeitenden und der Allgemeinheit. Einige „Filialen“ werden deshalb auch künftig als Standorte für Mitarbeitende überleben.

Nach den Erfahrungen aus der CoVid-Zeit stellt sich natürlich die Frage, ob es überhaupt noch Arbeitsplätze (in diesem Masse) für die Mitarbeitenden braucht. Viele Bankangestellte sind auf den Homeoffice-Geschmack gekommen. Die UBS plant sogar, dass künftig bis zu einem Drittel der Mitarbeitenden von Zuhause arbeiten soll.

Wird das wirklich so kommen? Es gibt viele Studien, die auch negative Aspekte von dauernder Telearbeit aufzeigen. Und diese werden sicher erst nach einer längeren Zeit sicht- und spürbar. Ob sich andauernde Arbeit von Zuhause durchsetzen wird, wird sich also erst zeigen.

Lokalität für Beratungsgespräche

Ja, es gibt sie noch: Die Kunden, die noch eine persönliche Beratung durch ihren Bankberater wünschen. Gerade beim Kauf von Wohneigentum ist man froh, wenn man in der Person des Kundenberaters der Bank noch eine „unabhängige“ Person zur Seite hat. Eine Person, die schon oft in den Prozess von Immobilienkäufen involviert war, die weiss, auf was man achten muss und die auch die anderen Akteure kennt.

Es stellt sich aber die Frage, ob diese Kunden wirklich in eine Bankfiliale kommen möchten. Die Beratungsgespräche könnten doch genauso gut beim Kunden stattfinden. Und gemäss einer Umfrage der Targobank wünschen sich Kunden genau das.

Aber es ist auch klar, dass nicht alle Kunden eine Beraterin oder einen Berater bei sich daheim empfangen möchten. Müssen Banken nun für diese paar wenigen Kunden noch Filialen aufrechterhalten?

Nicht unbedingt. Die BLKB zeigt mit ihrer „Mobilen Bank“ exemplarisch, dass es auch Zwischenlösungen gibt – indem die Bankfiliale in die Nähe des Kunden kommt.

Physical Evidence

Alle Dienstleister haben dieselbe Herausforderung: Ihre Produkte kann man nicht anfassen oder ansehen – sie sind «intangible». Deshalb müssen sie über Umwege versuchen, ihre potenziellen Kunden von den Eigenschaften ihrer Dienstleistungen zu überzeugen.

Um das zu tun, spricht man im Dienstleistungsmarketing von den «7 P», wobei das siebente «P» für eben diese «Physical Evidence» steht. Darunter versteht man, dass man z.B. beim Prospektmaterial eine der Dienstleistung entsprechende Papierqualität nimmt. Teure, «edle» Dienstleistungen verlangen nach einem ebensolchen Papier. So wird dem Kunden vermittelt: Du kaufst hier nicht eine Durchschnittsdienstleistung, sondern du engagierst die Besten.

Den Geschäftslokalitäten kommt dabei eine zentrale Rolle zu. Der Standort, die Architektur und die Innenausstattung signalisieren dem potenziellen Kunden, mit was für einem Dienstleister er es zu tun hat. Der Unterschied zwischen einer pompösen Empfangshalle in Marmor und Mahagoni einer Zürcher Privatbank an der Bahnhofstrasse und einer schlichten und trotzdem ansprechenden Raiffeisenfiliale in Hinterpfupfingen könnte grösser nicht sein. Und beide erfüllen ihren Zweck: Sie geben dem Kunden das Gefühl zu wissen, was sie von ihrer Bank erwarten dürfen.

Die physische Präsenz hat für Banken also einen grossen Stellenwert. Aber natürlich geht es auch ohne, das beweisen all die Internetbanken. Hier muss man der Kundschaft eben auf andere Art beweisen können, dass man die richtige Bank ist. Zum Beispiel, indem man dem Kunden die Möglichkeit gibt, eine Bewertung zu schreiben, die für jeden im Internet ersichtlich ist. So, wie das in anderen Branchen schon lange üblich ist.

Fazit

Für den Bargeldverkehr werden Filialen zunehmend unwichtiger. Dezentrale Standorte dürften aber weiterhin Bestand haben, da sie als Arbeitsplätze für die Mitarbeitenden wichtig sind und die Kundenberater so weniger Reisezeit für die Beratung Zuhause bei ihren Kunden brauchen werden. Und auch im Kommunikationsmix können Niederlassungen eine wichtige Rolle spielen.

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