Kann man das nicht mit AI machen?

Artificial Intelligence (AI) ist in der Bankenwelt in aller Munde. Kaum eine Bank, die noch kein Projekt gestartet hat oder zumindest intensiv darüber nachdenkt. C-Level-Mitglieder werden mit Einladungen zu AI-Veranstaltungen überhäuft – und sie sind interessiert. Kein Wunder. Verspricht doch die Welt der künstlichen Intelligenz massive Effizienzeinsparungen und Kostenreduktionen.

Ist das alles nur ein Hype oder ist da wirklich etwas dran? Können mit Hilfe von Generative AI (GenAI) die Kosten wirklich so stark gesenkt werden? Und ist das überhaupt die richtige Frage?

Hype: Ja oder Nein

Vor wenigen Jahren war es die Blockchain. Bei jedem neuen Projekt fragten die Bankmanager: «Kann man das mit einer Blockchain lösen? Wir müssen unbedingt etwas auf der Blockchain machen.» Verständlich. Denn die C-Level wurden von allen Seiten mit dem Buzzword Blockchain vollgetextet. Natürlich gibt es sinnvolle Anwendungsfelder für die Blockchain. Aber nicht für jede Fragestellung ist sie die richtige Lösung.

AI zeigt derzeit ähnlich Tendenzen. Kaum eine Geschäftsleitung, die sich nicht die Frage stellt, ob und wie man AI einsetzen könnte. Die innovativeren GL-Mitglieder haben alle schon mal ChatGPT ausprobiert und erste Erfahrungen gesammelt. Die weniger technikaffinen haben sich auf Symposien und durch die Lektüre von Studien informiert. Und alle wissen: Jetzt ist es Zeit, AI auszuprobieren und erste Projekte umzusetzen.

Die Vorteile liegen auf der Hand. Durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz lässt sich vieles automatisieren und damit richtig Geld sparen. Genau das Richtige in einem Markt, in dem alle Teilnehmer das gleiche Produkt verkaufen und der Preis oft das wichtigste Entscheidungskriterium ist.

Effizienzsteigerung – die grosse Chance von AI

Generative AI (GenAI) kann den Arbeitsalltag massiv erleichtern. Wer hat das nicht schon selbst ausprobiert? Mit deepl.com schnell die E-Mail übersetzen oder besser formulieren lassen. Mit ChaptGPT schnell die wichtigsten Eckpunkte eines Konzepts erarbeiten lassen. Die automatischen Antwortvorschläge von Outlook oder in Teams benutzen, um bei der Bearbeitung schneller voranzukommen.

Die Zeitersparnis ist enorm, das Ergebnis verblüffend. Zumindest meistens.

Lösungen, die das Arbeiten so erleichtern, sollten eigentlich auch die täglichen Routinearbeiten erleichtern und beschleunigen können. Hier gibt es viel Potenzial für Effizienzsteigerungen.

Ja, es gibt in jeder Bank diese Bereiche, in denen man mit AI die Effizienz steigern kann. Gerade im Bereich Compliance (z.B. Geldwäschereiüberwachung) können intelligente Systeme helfen, die unzähligen False-Positive zu reduzieren und damit richtig Geld zu sparen (AML AI).

Auch im Kundenkontakt, z.B. bei der Bearbeitung von E-Mails, lassen sich Vereinfachungen realisieren. AI sind problemlos in der Lage, Mails zu analysieren, zusammenzufassen, an die richtige Stelle zu leiten und Antwortvorschläge zu erstellen. Die Beantwortung von Kundenanfragen ist zeitaufwändig, so dass sich auch hier der Einsatz von AI schnell bezahlt macht.

Effizienzsteigerung – mehr nicht?

Erschreckend wenig hört man aber von Überlegungen, mit AI neue Geschäftsmöglichkeiten oder -modelle zu schaffen. Oder neue Wege in der Kundenberatung/-betreuung zu gehen und ein ganz neues Beratungserlebnis zu bieten.

Schade. Denn jetzt ist die Technologie da, um Ideen umzusetzen, die schon seit Jahren diskutiert werden.

Bei all den neuen Möglichkeiten muss doch mehr möglich sein als nur Effizienzsteigerung. Auch mit wenig Kreativität müssten zumindest Qualitätsverbesserungen im direkten Kundenkontakt möglich sein. Zum Beispiel durch bessere Cross-Selling-Hinweise im Kundengespräch.

Hier scheint es den Banken noch an Ideen zu fehlen.

Neue Fintech-Welle

Um neue, «revolutionäre» Geschäftsmodelle zu entwickeln, muss konsequent vom Kunden her gedacht werden. Was sind die Bedürfnisse der Kunden, was sind ihre Pains? Am besten die, die sie noch gar nicht kennen.

Ja, das ist nicht einfach. Und vielleicht sind Banken einfach zu weit weg von den Kunden und ihren Problemen. Wenn das so ist, gibt das wieder Chancen für neue Fintech. Junge, wilde Startups, die Bedürfnisse erkennen und clevere Lösungen dafür bauen.

Mögliche Ansätze könnten sein:

  • Zentrale, AI-gestützte Erfassung, Analyse, Interpretation, Sammlung und Bereitstellung von (Firmen-)Kundendaten, die jährlich von allen Banken jährlich bei ihren Kunden angefragt (z.B. Bilanz/Erfolgsrechnung) und meist händisch verarbeitet werden.
  • PFM-Systeme 2.0 – mit individuellen, AI-basierter Beratung zur Verbesserung der persönlichen Finanzsituation.
  • AI-basierte Bewertung des Zustands (und Werts) von Immobilien durch einen «Rundgang» des Kunden mit eingeschalteter Smartphone-Kamera.
  • AI-gestützte finanzielle Aufklärung des Kunden (Financial Literacy) und damit einhergehend eine Erweiterung der Up-Selling-Möglichkeiten.

Das sind nur erste Gedanken – es gibt sicherlich viele bessere mehr.

Compliance – (k)ein Bremsklotz

Wie so oft, droht auch beim Thema AI in der Finanzbrache die Compliance zum grossen Spielverderber zu werden. Datenschutz, Bankkundengeheimnis – you name it.

Das darf nicht davon abhalten, neue Wege zu gehen.

Der Einsatz von künstlicher Intelligenz ist neu – und ja, er birgt auch Risiken. Um nicht kurz vor Projektabschluss von einem «Njet» der Compliance-Abteilung überrascht zu werden, muss diese eingebunden werden. Und zwar nicht erst, wenn schon alles definiert ist, sondern von Anfang an. Schon beim Kick-Off müssen mögliche Compliance-Hürden auf den Tisch. Und Compliance sollte beauftragt werden, Wege aufzuzeigen, wie das gewünschte Vorhaben umgesetzt werden kann – ohne gegen Vorschriften und Kundenrechte zu verstossen.

Damit das funktioniert, braucht es ein klares Bekenntnis des Bankmanagements zu den Projektzielen. Das sollte aber kein Problem sein, da aktuell alle Bankleitungen fragen: «Kann man das mit AI lösen? Wir sollten unbedingt etwas mit AI machen.»

2 comments

Gurcay says:

Very well written and it points out to the other unseen possiblities of using AI for banks. I agree that banks sometimes are not totally connected with their customers. Using AI tools to offer customer specific services like predictive routing or social media monitoring with AI can enhance this connection. Enjoyed reading it. Keep them coming Claudio

Thank you, Ali Murat – you are right: Building a strong relationship with customers is important. I’m sure AI can help there as well.

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