Des Schweizers Angst vor Steuervögten

Die eidgenössischen Räte berieten diese Woche eine Initiative mit dem Titel „Ja zum Schutz der Privatsphäre“.  Bald wird das Volk darüber entscheiden können, ob das Bankkundengeheimnis in der Verfassung verankert werden soll.

Das Bankkundengeheimnis verbietet es Bankmitarbeitenden irgendwelche Informationen über Geschäftsbeziehungen Preis zu geben. Verstösse, egal ob fahrlässig oder vorsätzlich, werden mit hohen Strafen bedroht. Bei fahrlässigen Verstössen droht „nur“ eine Strafe von bis zu 250‘000 Franken, bei vorsätzlichen Verstössen drohen sogar Gefängnisstrafen von bis zu 3 Jahren (BankG Art. 47). Damit geht das Bankkundengeheimnis weiter, als die Geheimhaltungspflicht von Ärzten, Anwälten oder Geistlich (StGB Art. 321).

„Richtig so!“, schiesst es einem unwillkürlich durch den Kopf. Denn es geht schliesslich niemanden etwas an, was ich besitze und was ich mit meinem Geld mache. Und schon gar nicht das Steueramt.



Mitarbeitende von Banken müssen also sicherstellen, dass sie nur Berechtigten Informationen über ein Konto geben. Denn bereits die indirekte und unabsichtliche Bestätigung einer Geschäftsbeziehung gegenüber einer unberechtigten Person ist eine Gesetzesverletzung. Gerade im telefonischen Kundenkontakt ist eine hundertprozentige Identifikation des Anrufers nicht einfach. Es müssen viele Fragen zum Konto und zur Person gestellt werden, um sicher zu stellen, dass eine berechtigte Person am Telefon ist. Aber gerade diese umständliche Identifikation wird von vielen Kunden als Schikane empfunden.

Das führt zu einem Seiltanz für Kundenberater: Kundenfreundlichkeit versus Risiko einer horrenden Strafe. Das ist eine dauernde Belastung für Bankmitarbeitende an der Front.

Strafen aus Datenschutz weniger streng

Das Bankkundengeheimnis ist ein sehr strikt formuliertes Berufsgeheimnis – wie es der Name schon sagt – für Banken und deren Mitarbeitenden

Aber braucht es das wirklich? Art. 13 der Bundesverfassung regelt doch schon klar,  dass jede Person Anspruch auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens und den Schutz vor Missbrauch ihrer persönlichen Daten hat.

Unternehmen aus allen anderen Branchen unterstehen «nur» dem Datenschutzgesetz. Auch dieses verbietet es, Informationen unbefugten weiter zu geben. Nur die Strafen sind wesentlich geringer. Im Datenschutzgesetz heisst es: „Wer vorsätzlich geheime, besonders schützenswerte Personendaten oder Persönlichkeitsprofile unbefugt bekannt gibt, von denen er bei der Ausübung seines Berufes, der die Kenntnis solcher Daten erfordert, erfahren hat, wird auf Antrag mit Busse bestraft“.  Strafen auf fahrlässige Verstösse sind nicht vorgesehen.

Wieso reicht eigentlich dieser Schutz nicht auch bei Bankdaten? Klar, das haben wir oben bereits erarbeitet: „Weil es niemanden was angeht.“.

Schützenswerte Daten

Welche meiner Daten sind aber nun wirklich besonders schützenswert? Was darf nie über mich bekannt werden? Mein Kontostand? Meine Krankheitsgeschichte? Oder die Spuren, die ich im Internet hinterlasse?

Informationen über Krankheiten in den falschen Händen können grossen Schaden anrichten. In den Händen von Arbeitgebern könnten sich solche Informationen schnell zum Nachteil des Arbeitgebers entwickeln. So könnte ein Arbeitgeber kündigen, wenn er erfährt, dass der Arbeitnehmer HIV positiv ist. Obwohl dieser keinen einzelnen Tag an der Arbeitsstelle gefehlt hat.

Die meisten „normalsterblichen“ Menschen werden wohl mit mir einig sein: Daten über die Gesundheit sind viel schützenswerter als Bankdaten. Und eigentlich funktioniert das doch eigentlich sehr gut. Ich habe auf jeden Fall noch selten (nie) davon gelesen, dass Krankenkassenmitarbeitende Daten der Kunden bekannt geben.

Schützt Strafandrohung vor Fehlern?

Warum werden Mitarbeitende von Krankenkassen nicht mit Strafe bedroht, falls sie fahrlässig meine Daten bekanntgeben würden? Und warum geben sie sich doch alle Mühe, dass es nicht passiert?

Ganz einfach: Weil es zur Berufsehre gehört. Und weil Krankenkassen ihre Mitarbeitenden entsprechend sensibilisieren und die nötigen Vorsichtsmassnahmen ergreifen. Denn Datenschutzskandale würden für sie mit empfindlichen Kunden- und Einnahmeverlusten einhergehen.

Da fragt man sich, warum dieser Selbstregulierungsmechanismus bei Banken und deren Mitarbeitenden nicht funktionieren sollte. Warum genau muss man Bankmitarbeitende mit hohen Bussen auch bei fahrlässigen Fehlern drohen?

Bankkundengeheimnis – Wiederbelebung durch Verfassungsartikel?

Das Bankkundengeheimnis wurde eingeführt, um Gelder ausländischer Kunden vor deren Steuerämter zu schützen. Das ändert nun aber: Denn ab 1. Januar 2017 müssen Schweizer Banken den Steuerämter der halben Welt melden, wer wie viel Geld bei ihnen hat.

Rechtsbürgerliche Kreise rufen nun dazu auf, das Bankkundengeheimnis zumindest im Inland zu verteidigen. Indem man es in der Verfassung verankert. Denn die Steuerämter sollen keine Chance haben, Personen zu finden, die unversteuertes Vermögen verstecken.

Sollten sie erfolgreich sein, ändert sich für die Bankmitarbeitenden nichts. Sie haben weiterhin in ihrer täglichen Arbeit im Hinterkopf, dass der kleinste unabsichtliche Fehler zu einer existenzzerstörenden Busse führen kann. Aber sie nehmen das gerne auf sich. Denn sie wissen: Für Schweizer gibt es nichts schlimmeres, als dass jemand ihren Kontostand kennt.

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