Mein Portemonnaie habe ich schon vor vielen Jahren durch eine Secrid-Wallet ersetzt. Das reicht für die wichtigsten Kredit- und Debitkarten und ein paar Banknoten. Vermutlich werde ich für den Banknoten-Teil aber schon bald eine andere Nutzung finden müssen, denn Bargeld verschwindet immer mehr aus meinem Alltag. Die 30 Franken in meiner Secrid-Wallet, genauso wie die 50-Franken-Note in meiner Smartphone-Hülle, setzen bereits Moos an.

Vor dem ersten Lockdown, also vor rund einem Jahr, habe ich das letzte Mal Geld von einem Bankomaten bezogen – 200 Franken. 80 Franken davon sind immer noch übrig. Noch vor wenigen Jahren hätte mir das für etwa 2 Wochen gereicht, obwohl ich schon immer ein Karten-Fan war. Irgendetwas muss sich also verändert haben. Oder ist das nur bei mir so?

Nein, die gesamte Payment-Landschaft in der Schweiz scheint aus dem Dornröschenschlaf erwacht zu sein. Anscheinend haben die Schweizer nun zu den Skandinaviern aufgeschlossen. Konkret heisst das: Bargeld ist nicht mehr das wichtigste Zahlungsmittel in der Schweiz – wobei es in dieser Studie um das Empfinden von Herrn und Frau Schweizer geht und nicht um harte Fakten.

Die aktuelle Notenumlauf-Statistik der Schweizerischen Nationalbank (SNB) zeigt bislang nur die Zahlen bis 2019 auf. Man darf gespannt sein, ob sich der verstärkte Trend zum bargeldlosen Zahlen auch in dieser Statistik manifestieren wird.

Karten und Mobile Payment im Aufwind

Schon vor einiger Zeit habe ich für mich den Komfort des Bezahlens mit ApplePay entdeckt. Diesen Komfort nutze ich auch weiterhin, jetzt eben mit SamsungPay. Damit scheine ich aber zu den Exoten zu gehören, denn gemäss der Studie von Moneyland nutzen nur gerade einmal 12 % ApplePay, bei Samsung Pay sind es magere 7 %.

Vermutlich liegt das daran, dass bei diesen beiden Lösungen, die in der Schweiz üblichen Debitkarten (Maestro und VPay) nicht hinterlegt werden können. Ob sich das mit der anstehenden Umstellung auf Debit Mastercard und Visa Debit ändern wird?

Bereits 48 % der Befragten gaben an, im Laden mit Twint zu zahlen. Das vermag zu erstaunen, da gerade das Zahlen an der Ladenkasse in Internetforen immer wieder kritisiert wurde. Mit dem QR-Code auf den Terminals hat Twint sicherlich den Bezahlvorgang vereinfacht – so bequem wie mit ApplePay oder SamsungPay ist es aber sicherlich nicht.

Veränderung dank Corona

Dass sich das Zahlungsverhalten in der Schweiz so schnell und so stark ändert, hat wohl niemand erwartet. Um diese Veränderung anzuschieben, brauchte es erst eine Pandemie.

Das hochansteckende Virus hat dazu geführt, dass sich unser Hygienebedürfnis verändert. Tasten auf einem Zahlterminal zu drücken war noch nie besonders angenehm – seit COVID ist es einem aber viel präsenter: Wie viele Leute haben schon vor mir mit ihren virenverseuchten Fingern auf diese Tasten gedrückt?

Kein Wunder also, dass immer mehr Menschen die Möglichkeit mit ihrer Karte kontaktlos zu bezahlen nutzen. Gemäss der Moneyland-Studie tun das bereits 62 % mit Kreditkarten und 51 % mit Debitkarten. Der tiefere Wert bei den Debitkarten lässt sich wahrscheinlich damit erklären, dass immer noch nicht alle Debitkarten die Möglichkeit für kontaktloses Zahlen integriert haben. So habe auch ich von meiner Hausbank erst vor wenigen Wochen eine Kontaktlos-Karte erhalten.

Dieser „Hygiene-Effekt“ ist vielleicht auch eine weitere Erklärung für die gestiegene Twint-Nutzung. Denn bei Kredit- und Debitkarten muss man bei einem Betrag über 80 Franken wieder einen PIN eingeben – und deshalb wieder die ekligen, schweissnassen Tasten berühren. Bei Twint (wie auch bei ApplePay und SamsungPay) ist das nicht nötig. Da übernimmt das Smartphone diese Sicherheitsfunktion und auf dessen Screen sind nur „meine“ Viren und Bakterien zu finden.

Mehr Akzeptanzstellen, dauerhafte Änderung

Bei so schnellen Verhaltensänderungen darf man sich auch fragen, von welcher Dauer sie sind. Geht nach Ende der Corona-Krise wieder alles seinen alten Lauf oder ist das nun das „New Normal“?

Vieles spricht dafür, dass sich die Zahlungswelt dauerhaft verändert hat. Geschäfte, die sich traditionell auf Bargeld verlassen haben, schafften sich nun ein POS-Terminal an oder sie bieten zumindest Twint als Zahlungsmöglichkeit an. Ja, sogar beim Gemüsestand in unserem Dorf kann ich mittlerweile bargeldlos bezahlen.

Für die Anbieter von Zahlterminals dürfte das Jahr 2020 ein Rekordjahr gewesen sein. Und seit Twint einen richtiggehenden Aufschwung erlebt, wird sogar Sackgeld getwintet. Es ist schwierig, sich ein Szenario vorzustellen, in dem die Wichtigkeit von Bargeld wieder steigt.

Ausser vielleicht bei einem langandauernden Blackout, denn ohne Strom funktionieren all diese elektronischen Helferlein nicht mehr – oder ein Internetausfall über mehrere Wochen oder Monate. Aber solche Szenarien sind ungefähr gleich unwahrscheinlich wie eine globale Pandemie, bei der die Wirtschaft fast zur Gänze runtergefahren wird.

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